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Der zweite Tag bei meiner Tante

Der Morgen danach

Die ersten Sonnenstrahlen, die durch die weißen, dünnen Vorhänge fielen, weckten mich sanft aus meinem Schlaf. Ich blinzelte verschlafen und streckte mich ausgiebig. Der gestrige Tag hatte seine Spuren hinterlassen – ich fühlte mich noch etwas benommen von der anstrengenden Zugfahrt und der unerwarteten Begegnung mit den Müllmännern. Ein leises Schaudern durchlief mich, als ich an die Situation dachte, aber ich schob die Erinnerungen schnell beiseite. Heute sollte ein neuer, hoffentlich entspannter Tag werden.

Langsam stand ich auf und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Es war feminin eingerichtet – die zarten Pastelltöne an den Wänden, die weißen Möbel und die kleinen Dekorationen verliehen dem Raum einen Hauch von Eleganz. Meine Tante hatte wirklich an alles gedacht, um mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Ich entschied mich für einen leichten Start in den Tag und zog ein luftiges Outfit an – einen fließenden Rock und eine weiße Bluse mit Spitzenkragen. Das sanfte Rascheln des Stoffes, als ich mich bewegte, erinnerte mich daran, wie sehr ich mich an meine neue Rolle gewöhnt hatte. Es fühlte sich seltsam natürlich an.

Frühstück mit Tante

Als ich die Treppe hinunterging, wehte mir bereits der Duft von frisch gebrühtem Kaffee entgegen. Meine Tante saß am Esstisch, vor sich eine Zeitung und eine dampfende Tasse. Der Tisch war liebevoll gedeckt, mit frischen Brötchen, Aufschnitt und einem kleinen Obstteller. Sie sah auf, als ich den Raum betrat, und lächelte.

„Guten Morgen, meine Liebe,“ begrüßte sie mich herzlich und schob mir ein Brötchen zu. „Hast du gut geschlafen?“

Ich setzte mich zu ihr und griff nach der Kaffeekanne. „Ja, sehr gut, danke. Der gestrige Tag war anstrengend, aber ich fühle mich erholt.“

Meine Tante nickte verstehend. „Das glaube ich dir. Die Reise war sicher kein Zuckerschlecken, und dann musstest du dich auch noch selbst hierher kämpfen. Ich hätte dich so gerne abgeholt, aber der Termin ließ sich nicht verschieben.“

„Kein Problem,“ erwiderte ich schnell. „Ich habe es ja geschafft.“

Sie nahm einen Schluck Kaffee und lächelte über die Tasse hinweg. „Ich habe mir schon ein paar Gedanken gemacht, was wir heute unternehmen könnten. Wie wäre es, wenn wir ein bisschen shoppen gehen? Ich kenne da ein paar entzückende Boutiquen, die du dir unbedingt ansehen musst.“

Ich warf einen Blick auf die Tasche, die ich bereits gestern Abend neben die Tür gestellt hatte. Sie war voll mit Kleidung – und trotzdem war ich sicher, dass ich nichts dagegen hätte, noch mehr einzukaufen. „Klingt nach einem Plan,“ sagte ich lächelnd. „Ich könnte tatsächlich noch ein paar Dinge gebrauchen.“

Der Einkaufsbummel

Nach dem Frühstück machten wir uns fertig und fuhren mit dem Auto in die nahegelegene Stadt. Die Straßen waren belebt, und die sommerliche Hitze lag wie ein goldener Schleier über den kleinen, verwinkelten Gassen. Wir parkten in der Nähe einer Fußgängerzone und machten uns zu Fuß auf den Weg in die Einkaufsstraßen.

Die Boutiquen, die meine Tante auswählte, waren exquisit – kleine, versteckte Juwelen abseits der großen Modeketten. Jedes Geschäft hatte seinen eigenen Charme, und während wir durch die Reihen von Kleidern, Blusen und Röcken stöberten, zeigte mir meine Tante immer wieder, welche Teile besonders gut zu mir passen würden. Es war fast, als wäre sie meine persönliche Stilberaterin.

„Dieser Rock wäre perfekt für einen Nachmittag im Café,“ sagte sie und hielt ein zartes, pastellfarbenes Stück Stoff hoch, das mit einem feinen Blumenmuster verziert war. „Und dazu diese Bluse…“

Ich nickte und ließ mich von ihrem Enthusiasmus mitreißen. Es dauerte nicht lange, bis ich selbst voller Freude durch die Regale stöberte und verschiedene Outfits anprobierte. Die Verkäuferinnen waren freundlich und zuvorkommend, und es machte mir zunehmend Spaß, mich in meiner Rolle als Nichte meiner Tante zu verlieren.

Nach mehreren Stunden und unzähligen Anproben hatten wir unsere Arme voller Einkaufstüten. Meine Tante bestand darauf, mir einige der Teile zu schenken, obwohl ich versuchte, sie davon abzuhalten.

„Unsinn,“ sagte sie bestimmt. „Du bist meine Nichte, und ich freue mich, wenn ich dich ein bisschen verwöhnen kann. Außerdem stehen dir diese Sachen hervorragend.“

Die Andeutungen meiner Tante

Am späten Nachmittag saßen wir in einem kleinen, gemütlichen Café. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, doch die Hitze war angenehmer geworden. Wir ließen uns auf einer Terrasse nieder, bestellten zwei Eiskaffees und entspannten uns nach unserem ausgiebigen Einkauf.

Während wir plauderten und unsere Tüten neben uns abstellten, wechselte das Gespräch plötzlich auf ein unerwartetes Thema.

„Ich habe gesehen, dass die Müllmänner gestern hier waren,“ sagte meine Tante plötzlich und nahm einen Schluck von ihrem Eiskaffee. Ihre Stimme war ruhig, fast beiläufig, doch ihre Augen musterten mich neugierig über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg.

Mein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich. Was wusste sie? War das eine Andeutung? Ich zwang mich zu einem neutralen Lächeln. „Ja, sie waren da. Sie haben sich nur ein paar Getränke geholt und sind dann wieder gegangen.“

Meine Tante hob eine Augenbraue, ließ den Löffel in ihrem Glas kreisen und sagte: „Sie sind immer sehr freundlich, aber manchmal… naja, sie können ein bisschen frech werden. Sie sind es gewohnt, dass ich ihnen etwas mehr biete als nur Getränke.“

Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. War das eine Falle? Wusste sie doch mehr, als sie zugeben wollte? Ich wollte nicht unhöflich wirken, also lächelte ich schwach und versuchte, das Thema zu wechseln. „Ja, sie wirkten etwas… selbstbewusst, aber es war in Ordnung.“

Der restliche Tag

Nach diesem Gespräch fiel es mir schwer, die entspannte Atmosphäre des Tages aufrechtzuerhalten, aber meine Tante schien das Thema schnell wieder fallen zu lassen. Wir plauderten noch über Mode, die neuen Trends, und sie erzählte mir von den vielen Veranstaltungen, die sie für meinen Besuch geplant hatte.

Gegen Abend kehrten wir wieder zu ihrem Haus zurück. Die Einkaufstüten stapelten sich im Flur, und meine Tante war sichtlich zufrieden mit unserem erfolgreichen Shopping-Tag. Sie schob mir eine der Taschen zu und zwinkerte mir zu. „Morgen müssen wir all diese neuen Sachen ausprobieren,“ sagte sie fröhlich. „Aber heute Abend machen wir es uns gemütlich.“

Ich nickte, froh über die Aussicht, einfach zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen. „Klingt gut,“ sagte ich, während ich mich auf die Couch fallen ließ.

Ein seltsames Ende des Tages

Später am Abend, als es bereits dunkel war, hörte ich meine Tante, wie sie in den Flur ging, um den Müll rauszubringen. Ein paar Minuten später kam sie zurück ins Wohnzimmer und setzte sich zu mir.

„Sag mal, die Müllmänner…“ begann sie plötzlich, „haben sie dir noch irgendetwas gesagt, als sie gestern hier waren?“

Ich schluckte und spürte, wie mir wieder die Hitze ins Gesicht stieg. „Nein, nichts Besonderes,“ antwortete ich zögerlich. „Sie haben nur nach den Getränken gefragt.“

Meine Tante sah mich mit einem nachdenklichen Lächeln an, als wüsste sie genau, dass ich nicht die ganze Wahrheit erzählte. „Hmm… na gut,“ sagte sie schließlich und klopfte mir leicht auf die Schulter. „Mach dir keine Gedanken. Sie sind harmlos – meistens.“

Ich wusste nicht, ob das beruhigend oder beunruhigend war, aber ich beschloss, nicht weiter nachzufragen.

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